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... oder wirf mich an die Wand


Von Veilchen, Prinzessinen, Versprechen, Sehnsucht, Abenteuern, Strippenziehern und Strippern.


In den letzten Jahren wurde mir immer mehr bewusst, wie sehr mich in meinem Leben das geschriebene Wort beeinflusst hat. Sobald ich das Lesen erlernt hatte, verschlang ich Bücher, denn sie beflügelten meine Fantasie und trugen mich fort in fremde Welten.

Anlässlich des runden Geburtstages einer langjährigen Freundin fiel mir auf der Suche nach Geschichte mein Poesiealbum wieder in die Hände. Ein Kleinod aus Kindheitstagen, das mich zum Nachdenken brachte. Welche Wirkung haben Sprüche?

 

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Sei wie das Veilchen im Moose

Blogbeitrag vom 03. November 2013  "Sei wie das Veilchen im Moose"
 

Wer von euch entspringt der 60-er Jahre Generation? Wer von euch ist im Besitz eines Poesiealbums?
Für alle Unwissenden, ein Poesiealbum ist eine Art Freundschaftsalbum, das man in der Klasse oder im Freundeskreis hat reihum gehen lassen und der- oder diejenige durfte es mit einem Spruch, einem Bild, Eselsohren oder Glitzerbildern versehen. Es stellte sozusagen den nicht-interaktiven facebookaccount dar.

Als ich gestern anlässlich eines runden Geburtstages einer Freundin in den Devotionalien meiner Frühzeit stöberte, fiel mir das blaue Büchlein in die Hände. Ein Schatz meiner Kindheit. Wie alles, was es früher mal gab, reduziert. Heute habe ich auf facebook "Zitate und Sprüche" geliked und bekomme jeden Tag mehr als genug. Als Kind musste ich warten bis das Büchlein wieder zur mir zurückkam, suchte aufgeregt den Eintrag und las mit mehr oder weniger großem Verständnis, was meine Lehrerin oder ein Klassenkamerad mit einem Stift festgehalten hatten. Da ist Witziges von Erich Kästner neben Gewichtigem von Goethe und sage und schreibe dreimal der Spruch:

Sei wie das Veilchen im Moose,
bescheiden sittsam und rein,
und nicht wie die stolze Rose,
die immer bewundert will sein.

Heute bleiben die meisten Dinge an der Oberfläche, ich überfliege die Sprüche und selten spricht mich etwas wirklich an. Witzig ist gut, wenig berührt. Als Kind blätterte ich in diesem Büchlein, schaute mir die Bilder an, die handgemalt waren, freute mich über die Glitzersticker, die es teuer im Schreibwarengeschäft, eingeschweißt in Cellophanpapier, zu erstehen gab. Man bekam sie in Bögen, die einzelnen Sticker waren über einen Steg verbunden, den man durchtrennen musste. Ich überlegte ganz genau, wer welchen Sticker eingeklebt bekam, wer den Engel und wer den Blumenkorb. Die wichtigsten Menschen in meinem Leben bekamen die schönsten Sticker. Sie waren noch nicht selbstklebend und man musste sie vorsichtig einkleben, damit es keine bösen Schmierer gab. Alles Handarbeit.
Ich las mir die Sprüche immer und immer wieder durch.

Ich frage mich, wie so ein Spruch heute ankommen würde. Meine Tochter würde mir den Vogel zeigen. Jeder will doch eine Rose sein, wer will schon im Moos vor sich hinkümmern? Was hat dieser Spruch, der sich mehrmals verewigt wissen wollte, für einen Einfluss auf ein kleines Mädchen? Ich gehöre der Generation an, in der Mädchen lieb(enswert) waren, wenn sie brav waren. Wenn sie Veilchen waren. Ich mag Veilchen, aber das, was dieser Spruch mit ihnen in Verbindung setzt, das mag ich nicht. Ich empfinde das Etikett "bescheiden sittsam und rein" fast als Beleidigung für so ein Veilchen. Wer sagt denn, dass es nicht ganz anders sein kann. Vielleicht rocken die Veilchen den Wald mal ganz gerne?

Das Lieblingsgeschenk der Verwandtschaft für uns waren damals Schlafanzüge.
Auf keinem der Oberteile für meine Brüder stand "Wünsch dir keinen schnellen Sportwagen, sondern sei zufrieden mit dem langsamen Kleinwagen".

Und ich finde damit eine Antwort auf die Frage, warum die Internetseiten mancher männlicher Coaches, selbsternannter Lehrer und Psychologen nur so vor Selbstgefälligkeit strotzen. Sie haben den Sportwagen im Focus. Vielleicht stand auf ihren Schlafanzügen "you can do it, so go for it!" und ich vermute mal, dass auf der Rückseite nicht stand "Tu es bescheiden, sittsam und rein".
Ich mag Veilchen lieber als Rosen, aber die Veilchen brauchen eindeutig ein neues Image.

Auf gehts, Veilchen, lasst uns das Moos rocken!
 


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Versprechen

Blogbeitrag vom 2. November 2013  "Versprechen"


Versprechen.
Wie leicht geben wir sie, wie schnell brechen wir sie.
"Ich werde dich ewig lieben" "Wir bleiben für immer zusammen" "Mein Herz gehört nur dir".
Wie leicht gehen uns diese Worte über die Lippen, wenn wir verliebt sind, eng umschlungen im Liebestaumel, in Momenten, in denen die Welt für uns still steht und wir den Augenblick zur Ewigkeit dehnen möchten, so dass es für immer so bleibt. Und wir saugen diese Worte auf, wollen die Ewigkeit so sehr, nichts von dem, was so schön ist soll vergehen, wir sind so groß, so weit, so wundervoll und alles ist so gut. Und wir zementieren den Augenblick mit Worten in Unvergänglichkeit, die wir uns in diesem Moment ersehnen.
Aber nichts ist gewiss, die Dinge ändern sich, Gefühle flauen ab, das Herz wandert weiter, wir gehen auseinander.
Was bleibt?
Unsere Gefühle von Enttäuschung, Verbitterung, Trauer, Wut, Verzweiflung, manchmal Hass, zeigen sich unmittelbar. Mit ihnen kommen wir mehr oder weniger gut klar. Zur Not können wir uns Hilfe bei Profis holen.
Was auch bleibt und was uns selten bewusst ist, sind die Versprechen. Sie haben eine enorme Bindkraft, sind zäh wie Kleber und wir bekommen sie genau so schlecht los wie Kaugummi an der Schuhsohle.
Liebe kommt und geht, das ist bitter genug, aber was ist mit der versprochenen Ewigkeit, mit dem immer und ausschließlich? Mit dem in Stein gehauenen Spruch? "J+P in love forever"? Er steht....

"Ich werde immer für dich da sein" "Dir kann nichts passieren, denn ich passe auf dich auf und beschütze dich" "Du bist nie allein".
Das ist es, was wir unseren Kindern versprechen. Die Worte kommen aus der Hoffnung, dass es so ist. Und mit diesen Worten offenbaren wir unsere Selbstüberschätzung. Wo sind wir, wenn sie auf dem Pausenhof geschubst und gemobbt werden? Wo sind wir, wenn die Blume der Liebe von der Geliebten verächtlich zerquetscht wird? Wenn der Vater der besten Freundin am Küchentisch begehrliche Blicke aussendet? Wenn im Internet ein peinliches Foto mit einer hämischen Bemerkung kursiert? Wo sind wir mit unserer versprochenen beschützenden Allgegenwärtigkeit?

"Du sorgst für mich wie ich für dich sorge" "Wir haben alles für dich getan, also tust du auch alles für uns" "Du gehörst zu uns" "Blut ist dicker als Wasser, vergiss das nicht" "Ich habe dich genährt....".
Das sind die unausgesprochenen Versprechen, die in Familien von uns eingelöst werden wollen. Alleine die Tatsache, dass wir geboren wurden, verpflichtet uns. Schwer sich davon zu lösen.

Und dann gibt es in jeder Familie das Versprechen mit Tradition.
In meiner Familie heißt es "Ich warte auf dich ....". Die Frauen haben auf ihre Ehemänner, Söhne, Brüder, Väter, Geliebten, Verlobten gewartet, dass sie aus dem Krieg heimkehren, denn ihnen wurde das Versprechen gegeben "Ich komme zurück und dann ....". Die Versprechen wurden gebrochen. Sie blieben dort, sie blieben auf der Strecke. Die, die zurückkamen, konnten das "und dann ..." nicht erfüllen. Sie waren gebrochen, schweigsam, cholerisch, verwundet, auch sie sind auf der Strecke geblieben. Wenn einer in der Familie auf der Strecke bleibt, tun es nicht selten auch die anderen. "Blut ist dicker als Wasser", Solidarität verpflichtet. In meiner Familie kamen die wenigsten mit "dem oder der Richtigen" zusammen, denn die Richtigen entzogen sich auf allerlei Arten und Weisen. Die Folge davon sind Trennungen. Nicht selten wird gewartet ...... auf den oder die Richtige.
Auch ich habe gewartet. Auf die Einhaltung eines Versprechens "Du wartest, ich komme wieder und dann ist alles gut". 45 Jahre lang war ich im Status einer (Er)Wartungshaltung. Darauf, dass der oder die Richtige kommt um es gut zu machen. Was auch immer. Die Dinge fühlten sich nicht richtig an und irgendjemand soll sie richten.
Ich musste in meine Familiengeschichte gehen um dieses diffuse Gefühl zu verstehen. Um zu verstehen, was mich so zäh und gewaltig an diesem Fenster stehen ließ, wo ich mich dazu verdammt fühlte zu warten. Ich wartete nicht nur auf die Einhaltung des Versprechens, das mir gegeben wurde, sondern stellvertretend für meine Ahnen auf Einhaltung all der gegebenen und nicht eingehaltenen Versprechen.
Wer könnte kommen und all das richtig und gut machen? Wer?

Alles, was wir tun können, ist es für uns richtig und gut zu machen.
Ich fragte mich oft, warum ich meine körperliche und geistige Beweglichkeit so trainiere. Stagnation war für mich schon immer bedrohlich, ich brauchte Bewegung und schoss desöfteren über das Ziel hinaus. Es war ein Ausgleich für diesen emotionalen Stillstand. Das Warten .......

Heute weiß ich auf was ich wirklich gewartet habe. Es hat nichts mit dem Kommen von jemandem zu tun, der alles für mich richtig macht. Es hat mit einem Versprechen mir selbst gegenüber zu tun. Mit etwas, von dem ich dachte, dass es auf der Strecke geblieben ist, dabei war es immer da, ich habe es nur nicht wahrgenommen, weil ich zu beschäftigt war auf den großen Richter zu warten. Meine Familiengeschichte hat mich daran erinnert.

Welche Versprechen hast du gegeben und gebrochen und auf was wartest du?

 

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Veilchen und Versprechen

Blogbeitrag vom 04. November 2013  "Veilchen und Versprechen"
 

"Vergiss nicht, du hast versprochen auf mich zu warten!"

Wenn diese Worte in mein Leben kamen, geriet ich innerlich in Aufruhr. Lange Zeit ohne zu wissen warum. Wer ahnt, dass die Ahnen unter uns sind und eifrig mitmischen? Dass sie so sehr mit dem Geliebten zusammen kommen wollen, dass sie noch uns in einen Wartestatus versetzen. Es gibt Bücher darüber, ich war skeptisch, heute weiß ich es besser.

Mit Anfang zwanzig verliebte ich mich in einen jungen Mann aus dem Ausland. Wir führten eine Fernbeziehung. Telefonieren war zu teuer, also schrieben wir uns Briefe. Fast täglich. Die Sehnsucht war groß, er schien unerreichbar, unfassbar. Er ist nicht in den Krieg gezogen, er lebte auf einem anderen Kontinent. Ich wartete ... auf Briefe, auf Liebesworte, dass er kommt und bleibt oder mich holt. Auf die Einlösung eines Versprechens, das er mir nie gegeben hat. Zwischen uns gab es kein "und dann ..." und doch wartete ich sehnsüchtig auf "... und dann wird alles gut".

Manche Gefühle zeigen sich so stark in uns, dass sie uns selbst überraschen. Als ob etwas verstärkt erlebt wird. Ich wurde krank. Die Liebe, die ich fühlte, machte mich nicht glücklich. Ich wurde antriebslos, depressiv, verstimmt. Das Leben fühlte sich leer an und ich nahm nicht mehr daran teil. Ich bekam Schmerzen.
Als ich das dritte mal beim Arzt war, der keinerlei Ursache für meine Schmerzen finden konnte, erzählte ich ihm von der Fernbeziehung. Er schaute mir in die Augen und meinte lapidar "Junges Fräulein, Sie haben einen Hang zum Drama. Beenden Sie das". Das saß. Die Worte kamen ohne Mitgefühl, sie taten weh, ich fühlte mich unverstanden und doch richteten sie etwas. Ich war bereits eine Dramaqueen und wollte auf gar keinen Fall noch mehr Drama in meinem Leben. Ich begann mich zu lösen, langsam und unauffällig, vom Geliebten und damit vom Drama. Die Worte des Arztes immer vor Augen. Die Schmerzen gingen, die Depression auch, das Leben füllte sich wieder mit Farbe. Ich hatte mich entschieden nicht mehr zu warten und es fühlte sich richtig an. Heute bin ich dem Arzt dankbar, denn er hat mit seinen deutlichen direkten Worten meine Ahnen auf ihren Platz verwiesen. In die hintere Reihe, von wo aus sie nicht mehr so mitmischen konnten. Sie flüsterten und wisperten noch und zogen an mir, aber ich fühlte mich weit weniger fremdgesteuert und gehörte wieder mehr und mehr mir. Seine Worte stellten etwas klar und ich konnte diese Klarheit unmittelbar spüren. Vielen Dank Herr Dr. L.!

Veilchen blühen länger als Rosen.

 

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Sehnsucht

Blogbeitrag vom 7. November 2013  "Sehnsucht"


Sehnsucht ist die Sucht sich nach etwas zu sehnen. Oft nach etwas, was unerreichbar scheint. Ich war ein Sehnsuchtsjunkie.

Mit zwölf verknallte ich mich in einen blonden Wuschelkopf aus der Pfadfindergruppe meines älteren Bruders, der kein Interesse an mir zeigte. Dann in einen jüngeren Pfadfinder aus meiner Gruppe, der genau so wenig Interesse zeigte. Mit fünfzehn verliebte ich mich in einen Klassenkameraden und meine sehnsüchtige Beharrlichkeit zahlte sich aus. Eineinhalb Jahre später kamen wir zusammen, der Beginn unserer Beziehung läutete das Ende dieser Sehnsucht ein um eine neue zu kreieren. Denn alles war anders, als ich es mir in meinen Veilchenträumen zurechtgelegt hatte. Er war tatsächlich edel, hilfreich und gut, aber ich war nicht bescheiden, sittsam und rein. In mir zeigten sich Dinge, mit denen ich schlecht zurecht kam. Ich war eifersüchtig, besitzergreifend, anstrengend. Er war der Prinz aus gutem Haus, der mich in die Villa mit großen Garten einführte. Es war toll, mir erschloss sich eine Welt, die ich vorher nicht kannte. Bücher kannte ich nur aus der Bibliothek und im Schloss gab es sie zuhauf. Es war einfach alles da, sogar der Hund. Diese Welt war mir fremd und ich fand nie meinen Platz. Auch wenn Aschenputtel schöne Kleider anzieht, es verrät sich durch Unkenntnis. Nach vier Jahren entschieden wir uns für ein Ende mit Schrecken statt dem Schrecken ohne Ende.
Ich war um eine Illusion ärmer und eine Erfahrung reicher. Ich bin keine geborene Prinzessin und den Prinzen gibt es nur mit Familie.

Wenn ich keine Prinzessin bin, dann werde ich Abenteurer.
Ich sehnte mich nach Freiheit und träumte davon sie an einem Strand zu finden. Was ich verdiente, gab ich aus für Reisen und klapperte die Strände ab, aber die Freiheit war nirgendwo zuhause. An den Stränden fand ich streunende Hunde und verlorene Menschen, die sich von etwas befreien wollten. Ich traf mich selbst. Und ich traf einen Abenteurer, der einen Nerv in mir traf. Zuhause auf einem anderen Kontinent, erforschte er den, auf dem ich lebte und er erzählte mir Geschichten von Jagd, Fischen, Angeln, Kanu fahren, von Eisbergen, Bären und unberührter Wildnis. Er zog mich in seinen Bann und ich machte mich auf ihn zu besuchen. Drei Monate später stand ich ihm am Flughafen gegenüber und alles sollte anders kommen als gedacht. Seit meiner frühen Jugend träumte ich vom Auswandern, aber die Wildnis entpuppte sich als Falle. In der Hütte am Fjord wurde mir klar, dass ich nicht vor meinen Problemen davonlaufen kann. Wo auch immer ich hingehe, ich nehme mich selbst mit.

Sehnsucht ist das Kleben an einer Illusion.
Sie ist die Seifenblase, die wir uns in den schönsten Farben groß und schillernd blasen und in der wir süchtig treiben. In ihr entführen wir uns selbst aus dem drögen Alltag. Irgendwas ist besser als das, was wir haben. Sehnsucht ist der Kitschroman, in der die einsame schöne Frau den besten aller Männer abbekommt.
Sobald wir das erhalten, wonach wir uns sehnen, platzt die Blase und wir fallen auf den Boden der Tatsachen. Das Wunderland, das wir sahen und in dem wir uns niederlassen wollten, besteht lediglich aus bemalten Pappkulissen und dahinter erstreckt sich die Realität. Rosamunde Pilcher und Australia tun dem wunden Herzen gut, aber sie verschleiern unseren Blick auf das, was ist. Der Prinz wird psychotisch, der Abenteurer sesshaft und das Veilchen, das so gerne Prinzessin oder Abenteurerin geworden wäre, wird Mutter und wechselt Windeln.

Das ist das wahre Leben und es zeigt die Dinge, wie sie sind. Wer seinen Geist kennenlernen will, muss lernen den Dingen ins Auge zu sehen und sich zu desillusionieren. Desillusion bedeutet frei zu werden von Sehnsucht und offen zu werden für Klarheit.

Klarheit entspringt der Sehnsucht nach Wahrheit und dem Entzug von Illusion.

 

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Wenn Veilchen rocken

Blogbeitrag vom 06. November 2013  "Wenn Veilchen rocken"


Meine Freundin bekam zu ihrem runden Geburtstag ein besonderes Geschenk. Für manche Dinge im Leben muss man fünfzig werden. Um das volle Klischee erfüllen zu können. Dachte ich. Und dann sah ich Mädels zwischen zwanzig und fünfundsiebzig Jahren. Bei der amerikanischen männlichen Top-Strip-Show, den Chippendales.

Mich interessierten weniger die Sixpacks der Jungs, als vielmehr die Ekstase, die sie damit auslösten. Zur Zeit als der Film "Thelma und Louise" (erinnert ihr euch? Brad Pitts Einstand!) in den Kinos gespielt wurde, gab es in so manchem Kino Getöse, hervorgerufen von Frauen, die sich für emanzipiert hielten, die Mädels auf der Leinwand anfeuerten und eine starke Männerfeindlichkeit ausströmten. Es gab immer weniger Männer, die Lust  hatten sich den Film anzuschauen.
Diesmal feuerten die Mädels die Jungs an. Einen Abend mal alles andere als bescheiden, sittsam und rein sein. Auf der Bühne einen Schoßtanz, die bevorzugte Sexstellung, einen vorgetäuschten Orgasmus mit einem der Traummänner hinlegen und ansonsten schreien und quietschen, wenn die Stringtangas fliegen.

Mein Mann wusste mehr über die Show als ich. Vielleicht treffen sich dort die Träume. Die Männer träumen von feuchten Frauenaugen, die sie anhimmeln und die Frauen träumen davon, dass einmal ein Mann aufreizend und voller Spaß für sie strippt. Wo gibt es das schon?

Ich suchte die Besucher nach einem Mann ab, aber der vor uns in der Reihe war wohl transsexuell. Kurz vor Showende ging ein Paar an uns vorbei. Geschätzte Mitte siebzig, der Mann amüsierte sich köstlich. Ich hätte auch noch warten können, es ist wohl nie zu spät für so eine Show und in dem Alter hat mann den Neid auf die Sixpacks abgelegt und amüsiert sich einfach nur. Klasse. Dieser Mann hat meinen persönlichen Oskar für "allein unter Frauen" bekommen.

Was soll ich sagen? Nette Jungs, sehr amerikanisch, tolle Tänzer mit akrobatischen Einlagen, manch einer sogar mit einer großartigen Stimme. Sie haben alle Klischees erfüllt, vom Feuerwehrmann, Schweißer, Bauarbeiter, Putzmann, Rocker, Cowboy, Vampir bis hin zum Marineoffizier in Uniform. Welche Rolle auch immer sie spielten, am Schluss waren sie ohne Hemd und ohne Hose. Wie heißt es so schön? Ab einem gewissen Alter bereut man die Dinge, die man nicht gemacht hat mehr, als die Dinge, die man gemacht hat. In der Ausschreibung stand "Jede Frau muss einmal in ihrem Leben eine Chippendalesshow besucht haben". Ich habs gemacht. Ich hab eine Chippendalesshow besucht. Danach hatte ich einen Overflow, was Sixpacks und nackte Männerhintern betrifft.
Jungs, ihr wart toll, aber einmal reicht dann auch.


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